Hallo, Doc! Der große Vet-Check

Ob klassischer Praxis-Besuch, mobiler Tierarzt-Service oder Tele-Medizin: Wir gehen der Frage nach, wo die Grenzen liegen und Ihre Katze am besten versorgt wird.
Artikel
teilen

Bild: Shutterstock

Persönlich in Praxis oder Klinik

Keine Katze kommt im Laufe ihrer neun Leben drumherum, und versteckt sie sich noch so gut: Der Besuch in einer Tierarztpraxis oder -klinik. Ob Erstuntersuchung, Senioren-Check, die üblichen Wehwehchen oder eine Notfallbehandlung – eine stationäre Praxis oder Klinik bietet neben persönlicher Beratung und gewissenhafter Untersuchung des Patienten in den meisten Fällen auch eine individuell auf den Patienten zugeschnittene Behandlung und verschiedenste, dem Stand der Technik entsprechende Möglichkeiten zur Diagnosestellung. Auch verschiedene Therapien oder alternative Heilverfahren, etwa Physiotherapie oder Akupunktur, können hier oftmals in Anspruch genommen werden. Zwischen Tierarztpraxis und Tierklinik gibt es dennoch einige Unterschiede sowie Vor- und Nachteile, die es zu bedenken gilt.

 

Wo Miez und Doc sich kennen, besteht Vertrauen

Der Besuch in einer Tierarztpraxis ist wohl das, was einem Hausarzt-Besuch am nächsten kommt: Der behandelnde Tierarzt kennt seine Patienten, persönliche Krankengeschichten und vor allem auch die Halter. So ein Vertrauensverhältnis ist sehr viel wert und wohl auch der Grund, warum viele Menschen einen Besuch in der Tierarztpraxis bevorzugen. Vor allem in kleineren Praxen ist die Atmosphäre oftmals ruhiger, fast schon familiär – das hilft sowohl Miez als auch Mensch, zu entspannen. Es gibt sogar Tierarztpraxen, die sich ganz auf die Behandlung von Katzen spezialisiert haben: zum Beispiel die Praxis von Dr. med. vet. Michael Streicher in Oberursel. Hier weiß man um die Eigenheiten von Katzen und ist bestens darauf vorbereitet, auch scheue oder aggressive Katzen behutsam zu untersuchen und zu behandeln. Hektik und schnelle Bewegungen werden vermieden, alles geschieht im Tempo der Katze. Sie darf sich mit dem Behandlungsraum vertraut machen, während das Anamnese-Gespräch geführt wird. Auch, wenn viele Katzen sich nie ganz wohl in einer Tierarztpraxis fühlen werden, so kann der Stress durch solche Maßnahmen doch deutlich gemindert werden.

GeliebteKatze0822-Tierarzt-im-Wartezimmer_Bild-ShutterstockinhEuN3GXRguW

Bild: Shutterstock

Wer Spezialisten sucht, wird in Tierkliniken fündig

Je nach Größe der Praxis sind die Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung unterschiedlich: Kleinere Praxen haben unter Umständen nicht die technische Ausstattung für Röntgen-Diagnostik, Ultraschall und Co. In diesem Fall folgt oft eine Überweisung an die Tierklinik. Tierkliniken sind im Grunde genau das: Krankenhäuser für Tiere. Neben mehreren Ärzten und tiermedizinischen Fachangestellten finden sich hier auch Spezialisten für bestimmte medizinische Bereiche. Die technische Ausstattung ist hochmodern. Zudem können stationär aufgenommene Patienten rund um die Uhr versorgt werden. Wechselndes Personal, je nach Schichtplan, ist in Tierkliniken nicht unüblich: Wer einen Termin bei seinem „Wunsch-Tierarzt“ haben möchte, hat nur selten Glück. Darüber hinaus kann es im Wartezimmer einer Tierklinik schon mal recht turbulent zugehen – das geschäftige Treiben ist nicht für jede Katze etwas und kann Stress verstärken. Daher bieten viele Kliniken extra Wartebereiche für Katzenhalter an, in denen es ruhiger zugeht und Hunde keinen Zutritt haben.

Der Notfall kann teuer werden: Gebühr beachten

Seit 14. Februar 2020 gilt, verankert in der Gebührenordnung für Tierärzte, die sogenannte Notdienstgebühr – sie greift, wenn Halter mit ihren Tieren den Notdienst in Anspruch nehmen, und soll es Tierarztpraxen und -kliniken ermöglichen, ihre Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Tierärzte sind dazu angehalten, eine pauschale Notdienstgebühr von 50 Euro zu erheben sowie alle tierärztlichen Leistungen, die im Rahmen des Notdienstes ausgeführt werden, nach dem 2-fachen Satz abzurechnen. Je nach Ermessen kann der Tierarzt auch nach einem höheren Satz abrechnen. Wann die Notdienstgebühren greifen, ist in der GOT mit genauen Zeitangaben definiert:

  • täglich von 18 Uhr bis 8 Uhr des jeweils folgenden Tages (Nacht)
  • von freitags 18 Uhr bis 8 Uhr des jeweiligen folgenden Montags (Wochenende)
  • von 0 Uhr bis 24 Uhr eines gesetzlichen Feiertages.

 

Wenn Sie zu diesen Zeiten mit einem akuten Notfall zum Tierarzt müssen, sollten Sie sich also auf höhere Kosten einstellen. Boxen-Training in jungen Jahren zahlt sich aus Als großer Nachteil wird immer wieder der Stress empfunden, dem die Katze auf dem Weg zum und beim Tierarzt ausgesetzt ist. Um dem vorzubeugen, sollte man die Katze von kleinauf an die Transportbox gewöhnen. Integrieren Sie die Transportbox auf Dauer als Ruhemöbel für Ihre Katze. Das nimmt ihr die Angst. Am Anfang wird Mieze die Box erst einmal ausgiebig beschnüffeln. Legen Sie eine weiche Decke in die Transportbox, damit sie zur kuscheligen Höhle wird. Geht die Katze hinein, wird sie zusätzlich mit einem Leckerchen belohnt. Ist die Katze schließlich an die Transport-Box gewöhnt, können Sie sie mit einem Leckerchen leicht hineinlocken und mit deutlich weniger Stress in die Tierarztpraxis befördern.

 

Tierarztpraxis/-klinik – Pro & Contra

+ persönliche Beratung, „hautnah“ am Tier

+ gutes bis sehr gutes Angebot bzgl. Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten, v.a. in Kliniken

+ Vertrauensverhältnis zum behandelnden Personal in der Praxis

– ein Besuch ist für viele Katzen oft mit Stress verbunden

– in Kliniken oft wechselndes Personal, wodurch es schwerer ist, Vertrauen aufzubauen

– zum Teil sehr lange Anfahrtswege in ländlichen Regionen

 

Auf Stippvisite – Mobile Tierarztpraxis

Abwechslung am Arbeitsplatz ist etwas, das sich wohl jeder irgendwann einmal in seinem Berufsalltag wünscht. Okay, fast jeder. Jan Nixdorff arbeitet für die mobile Tierarztpraxis Felmo – eine Wortschöpfung aus „Fell“ und „mobil“ – und kommt für die Behandlungen zu den Besitzern nach Hause. Die einzige Konstante in seinem Berufsalltag ist die tägliche Abwechslung.

Mobiler-Tierarzt_Bild-SandraAllekotte

 Bild: Sandra Allekotte

Mobile Praxis als Alternative zur Niederlassung

In knalligem Felmo-Grün fährt er als einer von zwölf mobilen Tierärzten durch München und behandelt seine vierbeinigen Patienten in ihrem gewohnten Umfeld. Das macht er mittlerweile seit über einem Jahr, nachdem Nixdorff zuvor in der Tierklinik Ismaning und an der Ludwig Maximilians-Universität München gearbeitet hat. Nachtschichten, Wochenend- und Notfalldienste haben das Arbeiten jedoch zusätzlich erschwert, sodass er nach einer Alternative gesucht – und sie mit Felmo gefunden hat.

Terminbuchung via Web-Formular oder App

Die mobile Tierarztpraxis funktioniert digital über die Website oder die Felmo-App. Halter legen dort ein Profil ihres Tieres an und tragen grundlegende Daten ein. Über die App kann dann direkt ein Termin gebucht werden. Am Ende einer Behandlung überträgt der Tierarzt alle Gesundheitsdaten inklusive Diagnose und Folgetermin in die App. Die Informationen landen in dem Profil, welches der Halter zuvor angelegt hat, und hat einen Überblick der Behandlung. Ganz praktisch: Vor jeder weiteren Behandlung versendet die App eine Terminerinnerung.

Bislang ist das Angebot nicht überall verfügbar

Nixdorff wird in der Regel schon sehnsüchtig erwartet. Die Halter sind dankbar für seinen Besuch und die Zeit, die er sich nimmt. Pro Tag kann Nixdorff durch die Hausbesuche zwar weniger Patienten behandeln. Pro Termin hat er dafür jedoch mehr Zeit für das Kennenlernen der Vierbeiner und die Behandlung ist viel entspannter. Anders als in einer herkömmlichen Praxis beginnt Nixdorff nicht direkt mit der Untersuchung. Er begibt sich gleich auf Augenhöhe mit dem Tier, damit man sich aneinander gewöhnen kann. Die Gelegenheit, um grundlegende Fragen zu klären und sich ein erstes Bild vom Patienten zu machen. Spielerisch nähert sich der Tierarzt dem Vierbeiner und kann unauffällig mit dem Abtasten beginnen. Für Hund und Katze ist er in der Situation nur ein Spielkamerad. Momentan können die rund 300 Felmo-Tierärzte in über 20 Standorten deutschlandweit nur Hunde und Katzen behandeln. Doch besonders die Samtpfoten sind sehr empfindlich und stecken die Besuche beim Tierarzt schlechter weg, erklärt Nixdorff. Der Ortswechsel, fremde Gerüche und andere Tiere sind eine zusätzliche Belastung. Die Behandlung zu Hause minimiert für die Halter und deren Tiere den Stress auf ein Minimum, sodass der Tierarzt quasi nur als Besucher wahrgenommen wird.

Mobiler-Tierarzt-Katze-Tierarztvergleich_Bild-SandraAllekotte

Bild: Sandra Allekotte

Mobile Praxis als neue Alternative zur Niederlassung

Genau das kann die Behandlung manchmal aber auch erschweren. In ihrem eigenen Revier sind die Tiere viel selbstbewusster. Wenn sie Nixdorff als Eindringling wahrnehmen, wollen sie sich nicht immer anfassen lassen. So gibt es Tiere, die in der Praxis eingeschüchtert sind und alles mit sich machen lassen. Zu Hause strotzen sie dann aber vor Selbstbewusst[1]sein und wollen sich nicht behandeln lassen. Es ist das geschulte Fachpersonal, das fehlt, um den Tierarzt zu unterstützen. Tierarzthelfer gibt es bei Felmo zwar, allerdings nicht genug. Deshalb müssen die Tierärzte häufig alleine arbeiten und die Besitzer um Hilfe bitten. Dann bedarf es einiger Bestechung mit Leckerlis, damit der Tierarzt Hand anlegen darf. Mit seinem zukunftsorientierten Konzept passt sich Felmo den sich verändernden Lebensumständen an. Menschen mit gesundheitlichen Problemen, körperlicher Beeinträchtigung, Schwangere, Berufstätige oder Menschen, die einfach kein Fortbewegungsmittel haben, um zum Tierarzt zu fahren, profitieren besonders von Felmo.

Mobile Praxis – Pro & Contra

+ sehr gut geeignet für scheue Katzen und/oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Halter

+ persönliche Untersuchung und Behandlung der Katze durch einen Profi

– in den eigenen vier Wänden

– nur an bestimmten Standorten in Deutschland verfügbar

– nicht alle Methoden zur Diagnostik sind verfügbar; für Röntgen, größere OPs und Co. muss man nach wie vor in eine Tierklinik

 

Medizin am Screen – Telemedizin

In Zeiten, in denen vieles am Bildschirm erledigt wird, hat das Thema Telemedizin neuen Schwung bekommen. Neu ist die Idee zwar nicht, medizinische Fragen via Ferndiagnose zu diskutieren (sowohl für Menschen als auch für Tiere). Der Ärztetag beschloss 2018, die Beschränkungen für Ferndiagnosen zu lockern. Jedoch kämpft die Telemedizin in Deutschland bisher vor allem mit zwei Problemen. Die mangelnde Akzeptanz der gesetzlichen Krankenkassen ist eines davon, denn ohne Bezahlung durch die Kassen ist keine Leistungserbringung möglich. Aber auch die Technik macht den Telemedizinern das Leben schwer: In vielen Gegenden in Deutschland mangelt es schlicht an der fehlenden Bandbreite der Internetverbindung. Nichtsdestotrotz hat die Pandemie gezeigt: Telemedizin ist ein Modell mit Zukunft – und zwar auch für Tiere. Es gibt inzwischen zahlreiche Anbieter im Markt, die so klingende Namen tragen wie Dr. Sam, Pfotendoktor, FirstVet oder Dr. Fressnapf. Das Angebot wächst stetig – und die Preise sind vergleichsweise moderat, sie belaufen sich auf etwa 20 bis 30 Euro pro Sitzung. 

GeliebteKatze0822-Telemedizin-Tierarztvergleich-Katze_Bild-Shutterstock

 Bild: Shutterstock

Die Online-Sprechstunde als Beratungsangebot

Die Gebührenordnung für Tierärzte gilt zwar auch für Online-Sprechstunden. Doch die pauschale Notdienst-Gebühr von 50 Euro, die bei einem Tierarztbesuch außerhalb der Sprechzeiten, am Wochenende und an Feiertagen erhoben werden muss, fällt bei Online-Sprechstunden weg. Für den Cheftierarzt von FirstVet, Björn Becker, der neben seiner Arbeit als Telemediziner auch zwei Haustierpraxen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen leitet, ist die telemedizinische Sprechstunde jedoch kein Ersatz für eine normale Sprechstunde beim Tierarzt, sondern vielmehr ein Beratungsangebot: Ihm geht es darum, dem Tierhalter und auch dem Tier eine entspannte und kompetente Beratung zu ermöglichen und gemeinsam die Entscheidung zu fällen, ob ein Tierarztbesuch notwendig ist oder nicht. „Wir sind kein Ersatz für den Tierarzt vor Ort, sondern vielmehr für Dr. Google oder die Eigenberatung durchs Internet“, führt er aus.

1218439954-Shutterstock

Bild: Shutterstock

Der Nachteil liegt im Risiko der Fehleinschätzung

Die Telemedizin als genau das zu sehen, nicht mehr und nicht weniger, ist eine Herzensangelegenheit für den Tierarzt. „Ich glaube, dass Telemedizin auf Dauer eine super Ergänzung zur Behandlung vor Ort ist. Sie ist ein zusätzliches Werkzeug, das vernünftig und sinnvoll genutzt werden kann.“ Auf die Frage hin, woran man einen seriösen Anbieter für tier-telemedizinische Leistungen erkennt, rät der Experte: „Schauen Sie darauf, dass das System möglichst einfach verständlich und bedienbar ist und Sie bei der Registrierung und der Vorbeschreibung nicht zu viele persönliche Daten offenlegen müssen. Außerdem würde ich darauf achten, wie lange der Anbieter bereits auf dem Markt ist. Zudem finde ich, dass die Unabhängigkeit von Kliniken und Praxen auch ein wichtiger Punkt ist. Letztlich ist es aber ähnlich wie beim Haustierarzt: Wenn man als Tierhalter anschließend ein gutes Gefühl hat, dann war das auch alles okay.“ Der überwältigende Teil der Tierhalter, die den Service nutzen, bewertet diesen auch durchwegs als positiv. Die häufigsten Beschwerden betreffen Technikprobleme, keine medizinischen Fragen. Doch natürlich gibt es auch kritische Stimmen zur Tier-Telemedizin, die von Haltern, aber auch von Tierärzten kommen. Ein Tier kann, im Gegensatz zur Humanmedizin, sein Leiden nicht selbst schildern – daher ist hier der persönliche Eindruck und die Untersuchung enorm wichtig. Selbst Videos, Bilder und Beschreibungen können eine persönliche Untersuchung nicht ersetzen, monieren einige Fachleute. Allerdings fällt beim Termin am Bildschirm der Faktor weg, dass Tiere in einer Praxisumgebung oft so gestresst sind, dass dies eine Diagnosestellung erschwert und die Tiere ihre Leiden dann womöglich sogar verstecken. Fazit: Telemedizin ist kein Allheilmittel, aber eine Ergänzung des medizinischen Angebots. Eine, die in Zukunft sicher verstärkt genutzt werden wird.

Telemedizin – Pro & Contra

+ schnelle und kompetente Beratung, unabhängig von Öffnungszeiten

+ kann den (stressigen) Gang in die Praxis ersparen

+ vergleichsweise moderate Kosten

+ perfekt für ängstliche Katzen, die sich in ihrer vertrauten Umgebung am sichersten fühlen

– u.U. können wichtige Symptome übersehen und Fehleinschätzungen gemacht werden

– technische Probleme können auftreten

– das Handling durch den Halter ersetzt kein Fachpersonal, es kann zu Kratz- oder Bissverletzungen kommen.

 

Noch mehr spannende Artikel finden Sie im Katzenmagazin Geliebte Katze. Dieser Artikel ist aus Geliebte Katze Ausgabe 08/22.

 

Passende Artikel